Fraport: Mehr Flugverkehr - koste es, was es wolle !
Zum 1. Januar 2022 setzt Fraport eine neue Entgeltordnung in Kraft. In der Presse wird in erster Linie über die veränderten Gebühren berichtet, die die Airlines pro Start oder Landung zu bezahlen haben, aber die Erhöhungen sind minimal.
Entscheidend ist etwas anderes. Fraport bietet den Fluggesellschaften an, einen Teil dieser Gebühren wieder zurück zu erhalten - vorausgesetzt, sie lassen genügend Passagiere vom Flughafen abfliegen!
Die Überschrift übertreibt aber insofern ein wenig, als Fraport ihre Profite natürlich nicht ernsthaft in Gefahr geraten lassen würde (nur die volkswirtschaftlichen Kosten dürfen so hoch sein, wie sie wollen). Die Rabatte sind abhängig davon, dass insgesamt im Jahr 2022 eine Mindestanzahl an Passagieren erreicht wird (22,1 Millionen), die von FRA abfliegen, und gedeckelt durch eine Höchstzahl, die in die Rabattberechnung eingeht (28,1 Millionen).
Wenn am Jahresende feststeht, wieviele Passagiere geflogen sind und wieviel Entgelte eingenommen wurden, wird nach einem komplizierten Verfahren berechnet, wieviel Geld die Fluggesellschaften, die einen entsprechenden Antrag stellen, zurück bekommen.
Der Betrag, der dafür maximal zur Verfügung steht, entspricht ungefähr 7,5% der netto eingenommenen Flughafen-Entgelte, d.h. der Lande-, Start-, Passagier-, Sicherheits- und Abstell-Entgelte abzüglich aus anderen Gründen vorgenommener Erstattungen. Zuschläge für Schallschutzmaßnahmen sind, wohl aus formalen Gründen, ausgenommen, und die Entgelte für Bodenverkehrsdienste sind garnicht rabattfähig. Grob geschätzt geht es also maximal um 20 Mill. Euro. Das kann Fraport leicht quersubventionieren aus dem Gewinn, den sie aus den zusätzlichen Passagieren herausholen, aber auch das ist vorschriftswidrig..
Das zur Verfügung stehende Geld wird zu gleichen Teilen auf zwei Töpfe verteilt. In Topf 1 darf greifen, wer in 2022 mindestens 10.000 Passagiere transportiert hat, er erhält dann einen prozentualen Anteil, der dem Anteil der Passagierzahl an der Gesamtzahl entspricht. Für Topf 2 ist zusätzlich notwendig, mindestens 63% der Passagierzahl des vorhergehenden Jahres zu erreichen. Wenn eine Fluggesellschaft bzw. eine Gruppe von Gesellschaften ein Kriterium nicht erfüllt (oder den Antrag nicht rechtzeitig und vollständig einreicht), behält Fraport den ihr eigentlich zustehenden prozentualen Anteil am jeweiligen Topf ein. Diese Regelungen können dazu führen, dass der zur Verfügung stehende Rabatt-Betrag garnicht vollständig ausgezahlt werden muss.
22,1 Millionen abfliegende Passagiere sind ein anspruchsvolles Ziel, denn es ist in etwa das Doppelte dessen, was in diesem Jahr erreicht wird. Nur wenn die Pandemie nächstes Jahr nicht genauso schlimme oder sogar noch schlimmere Folgen hat als in diesem Jahr, können die Fluggesellschaften davon ausgehen, dass es überhaupt einen Rabatt geben wird. Damit der relevante Grössenordnungen annimmt, müssen die Zahlen sogar im Vergleich zu diesem Jahr auf das bis zu 2,5fache gesteigert werden.
Das klingt zunächst vielleicht nicht extrem viel, wenn man berücksichtigt, dass die Passagierzahlen derzeit immer noch nur rund 1/3 derer des Jahres 2019 betragen. Allerdings heisst es eben auch, dass mit diesem Programm im kommenden Jahr bereits wieder 2/3 bis 4/5 des Vorkrisenniveaus erreicht werden sollen. An dem Ziel, bis 2024 wieder auf dem Niveau von 2019 oder sogar darüber hinaus zu sein, soll offensichtlich festgehalten werden, auch wenn die Pandemie länger andauert.
Man muss dabei allerdings auch berücksichtigen, dass sowohl Flughäfen als auch Fluggesellschaften die Krise genutzt haben, um ihre Belegschaften radikal umzubauen und zu verkleinern. Ältere und/oder teurere Mitarbeiter*innen wurden rausgedrängt, um die Arbeit künftig mit weniger jüngeren, produktiveren und vor allem billigeren Arbeitskräften zu bewältigen. Ein zu schnelles Wachstum kann da sehr schnell zu Überlastungen und neuen Einbrüchen führen.
Aktuell zeigt sich bereits sowohl bei Flughäfen als auch bei Fluggesellschaften, dass deren Annahmen und Planungen sehr schnell ziemlich weit daneben liegen und erneut zum altbekannten Chaos führen können.
Gäbe es die Klima-Katastrophe nicht, könnte man das als ganz normales, im Rahmen des bestehenden Wirtschaftssystems betriebswirtschaftlich rationales Verhalten betrachten. Angesichts der Tatsache, dass die Treibhausgas-Emissionen in den nächsten zehn Jahren drastisch reduziert werden müssen, wenn die Ziele des Pariser Klimaabkommens wenigstens halbwegs eingehalten werden sollen, sind solche Planungen aber schlicht unverantwortlich.
Es ist weitgehend unbestritten, dass es in den nächsten Jahren keinerlei Möglichkeit gibt, die Klimawirkungen des Luftverkehrs zu reduzieren, wenn man nicht die Zahl der Flüge reduziert. Alle Maßnahmen, die die Luftverkehrswirtschaft angekündigt hat, beziehen sich auf die Zeiträume zwischen 2030 und 2060 und kommen, wenn sie überhaupt wahr werden, viel zu spät. Alles Wachstum zu heutigen Bedingungen verschärft die Klima-Katastrophe weiter.
Da aber Fraport, Lufthansa & Co. keinerlei Bereitschaft zeigen, daraus Konsequenzen zu ziehen, und Selbstbeschränkungen im Kapitalismus ohnehin nicht funktionieren, wäre es Aufgabe des Staates, die notwendigen Grenzen zu ziehen. Wie immer in dieser Frage, versagt die hessische Landesregierung auch hier auf ganzer Linie.
Die Entgeltordnung mit dem wachstums-fördernden Rabatt-Programm wurde vom Verkehrsministerium als zuständiger Aufsichtsbehörde genehmigt. In der Pressemitteilung dazu wird viel über die minimalen Erhöhungen der lärmabhängigen Entgelte fabuliert und über davon unabhängige 'Klimaschutz-Maßnahmen' fantasiert, die irgendwann mal kommen sollen.
Zu dem "Incentive-Programm der Fraport AG zur Stärkung des Luftverkehrs" heisst es, das sei "nicht mit einem früheren Incentive-Modell der Fraport AG vergleichbar", denn das "sollte vor allem Anreize für mehr Luftverkehr setzen, indem es Nachlässe für neue Flugverbindungen und neue Fluggesellschaften gewährte". Das neue Programm hingegen "setzt Anreize für alle Fluggesellschaften, um die Fluggastzahlen wieder an das Vorkrisenniveau anzunähern". Worin da der entscheidende Unterschied bezüglich der Klimaschädigung liegt, bleibt wohl Staatsgeheimnis.
Damit aber alle verstehen, dass alles so sein muss, wie es ist, lässt der Herr Minister als Anhang an die PM noch ein paar 'Informationen' mitteilen. Seine Aufgabe ist klar: "In seiner Rolle als Genehmigungsbehörde prüft das Hessische Wirtschafts- und Verkehrsministerium allein die rechtliche Genehmigungsfähigkeit des Antrags der Fraport". Auch die rechtliche Grundlage ist eindeutig: "Gemäß § 19b des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) sind Flughafenentgelte zu genehmigen, wenn die in der Vorschrift genannten Voraussetzungen erfüllt werden", und leider, leider: "Der Genehmigungsbehörde kommt dabei kein Ermessensspielraum oder politischer Abwägungsspielraum zu; wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, hat sie die Genehmigung zu erteilen". Und für alle, die es immer noch nicht begriffen haben, nochmal ausführlich: "Das Hessische Wirtschafts- und Verkehrsministerium ist nicht berechtigt, ein eigenes Entgelt festzusetzen oder dem Flughafenbetreiber eine bestimmte Entgeltordnung oder Entgeltstruktur bzw. den Verzicht auf ein Incentive-Programm vorzugeben".
" Same procedure as every year" - nicht gerade saisonbedingt, aber zuverlässig wiederholen sich die immer gleichen Argumente. Auch bei der Genehmigung der Billig-Strategie, mit der Fraport Ryanair und andere Billigflieger nach Frankfurt geholt hat, hat der Minister sie heruntergebetet. Man hört ihn geradezu wie den leicht derangierten Butler James alle Jahre wieder pflichtbewusst verkünden: "I'll do my very best".
Zumindest in diesem Fall reicht das aber nicht. Die Argumente treffen auch diesmal nicht zu, denn der als Rechtsgrundlage zitierte § 19b LuftVG kennt keine Incentive-Programme für mehr Verkehr. Vielmehr heisst es dort: "Insbesondere ist zu gewährleisten, dass ... die Berechnung der Entgelte kostenbezogen erfolgt und im Voraus festgelegt ist". Auch eine Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags hebt diesen Aspekt als entscheidend hervor.
Wenn aber die Entgelte kostendeckend kalkuliert sind, können Rabatte nur dazu führen, dass die Kosten eben nicht mehr gedeckt werden. Das wäre für eine umweltbewusste Genehmigungsbehörde sicherlich ein Ansatz, solche Rabatte, die nur den Flugverkehr ankurbeln sollen, infrage zu stellen. Eine solche Behörde gibt es allerdings derzeit nicht.
Aber selbst, wenn es rechtlich tatsächlich nicht möglich wäre, gegen diese falschen Anreize vorzugehen, sollte man nicht vergessen, dass dieser Flughafen, der mit solchen Methoden arbeitet, nach wie vor mehrheitlich im Besitz der Öffentlichen Hand, konkret des Landes Hessen und der Stadt Frankfurt, ist. Diese Mehrheitseigner könnten natürlich ohne weiteres dem Vorstand Vorgaben machen, die ein derartiges Vorgehen ausschliessen. Die in Hessen und Frankfurt dominierenden politischen Kräfte ziehen es aber vor, sich in solchen Fragen regelmäßig selbst zu entmündigen und dem Vorstand völlig freie Hand zu lassen.
Rechtlich zulässig wäre ausschliesslich "eine Differenzierung der Entgelte zur Verfolgung von öffentlichen oder allgemeinen Interessen". Die Förderung unnötiger Emissionen liegt, wie spätestens seit dem wegweisenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts eindeutig feststeht, nicht in diesem Interesse. Fraport hatte allerdings im Jahr 2020 ein 'Anreizprogramm', das dazu gepasst hätte: die Förderung moderner Navigationsausstattung, in diesem Fall das GBAS-System, das u.a. auch exaktere und etwas steilere Landeanflüge ermöglicht. Die war allerdings deutlich geringer, nämlich auf 2 Mill. Euro begrenzt, und wurde auch, warum auch immer, nicht aus den Entgelten finanziert.
Nötig wurde diese Förderung, weil dieses Sytem, 5 Jahre vorher von der Allianz für Lärmschutz als "Aktive Schallschutzmaßnahme" u.a. der Lufthansa gefeiert, kurz danach Sparmaßnahmen zum Opfer gefallen ist. Sie ist aber Ende 2020 ausgelaufen, wahrscheinlich wegen durchschlagendem Erfolg: wie die DFS Mitte dieses Jahres in der FLK mitteilte, beträgt die Ausrüstungsquote aller Flüge am Flughafen Frankfurt mit GBAS stolze 7% (und mit dem ähnlichen System SBAS nochmal 2%). Diese Zahlen sollte man im Kopf haben, wenn mal wieder jemand, z.B. in der Klimapolitik, über die Innovationsfreude und -geschwindigkeit deutscher Fluggesellschaften schwadroniert.
Als Fazit beibt: die Entgeltordnung ist in jeder Hinsicht völlig unzureichend. Sie enthält keine wirksamen Anreize für den Einsatz von lärmarmen und/oder schadstoff-reduziertem Fluggerät, weil die entsprechenden Entgeltanteile viel zu gering und zu wenig differenziert sind, um steuernd zu wirken, oder garnicht vorhanden sind. Einfach ausgedrückt: 4,3% mehr von viel zu wenig ist noch lange nicht genug. Das Anreizprogramm aber ist ein klimapolitischer Skandal ohne rechtliche Grundlage und hätte nie genehmigt werden dürfen.
Aufgrund der Kumpanei des Verkehrsministeriums mit Flughafen und Fluggesellschaften tritt sie trotzdem in Kraft, weil Dritte rechtlich nicht dagegen vorgehen können und hinreichend grosser politischer Druck dagegen nicht existiert. Das ist extrem bedauerlich, denn ein gut gemachter Fernseh-Sketch mag auch in der x-ten Wiederholung noch witzig sein, dieses politische Schmierentheater ist es nicht.
Quelle: www.bi-fluglaerm-raunheim.de, Aktuelles